In seiner 1796 veröffentlichten „Exposition du système du monde“ bezeichnete es Pierre-Simon de Laplace noch als astre obscur (dt.: Dunkler Stern). Es handelte sich dabei lediglich um ein theoretisches Gedankenspiel. Heute aber wissen wir weit mehr. Schwarze Löcher sind sogar schon soweit erforscht, dass Wissenschaftler:innen 2019 mittels des Event Horizon Telescope (EHT)-Verbundes die ersten hochauflösenden Aufnahmen eines solchen Objekts veröffentlichen konnten.
Schwarze Löcher – ein zeitlicher Reset?
Ein Team von Mathematikern berechnete schon 2018, dass einige wenige Schwarze Löcher als eine Art Reset-Knopf fungieren könnten. Diese bislang rein theoretischen Objekte könnten die Vergangenheit der in ihnen gesammelten Materie effektiv löschen. Sollte sich die Theorie des Teams bewahrheiten, würde dies eine der größten Fragen der modernen Kosmologie beantworten.
Folgt man nämlich den bekannten Gesetzen der Physik, fällt die gesamte Masse eines kollabierenden Sterns auf einen annähernd unendlich kleinen Punkt zusammen. Das Produkt dieses Zusammenbruchs nennt man „Singularität“. Sie bildet quasi den Kern eines Schwarzen Lochs und stellt eine Raumzeitregion dar, in der Dichte beziehungsweise Krümmung gegen unendlich gehen.
Kosmische Zensur
Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie sagt diese Regionen voraus. Doch geht sie davon aus, dass sie gut versteckt sind. Letzterer Annahme zugrunde liegt die sogenannte „kosmische Zensur“-Hypothese. Vereinfacht Formuliert besagt diese, dass immer, wenn sich durch den Kollaps eines Körpers eine Singularität bildet, ein Schwarzes Loch entsteht. Will heißen: Jede existierende Singularität verbirgt sich am inneren Ende des Schwarzschildradius.
Ferner lässt sich die kosmische Zensur in zwei weitere Hypothesen teilen. Die erste von ihnen besagt, dass es innerhalb eines Schwarzen Lochs eine Grenze gibt. In dem Bereich jenseits dieses sogenannten Cauchy-Horizonts würden die physikalischen Gesetze faktisch aufgehoben. These Nummer zwei widerspricht dieser Annahme. Ihr zufolge ist physikalische Gesetzlosigkeit nicht möglich.
Physikalische Gesetzlosigkeit – möglich oder nicht?
In den Physical Review Letters veröffentlichten der Mathematiker Peter Hinz und sein Team 2018 eine Studie, die der kosmischen Zensur auf den Grund gehen sollte. Der zweiten Version der Hypothese standen sie dabei überaus kritisch gegenüber.
„Etwa 20 Jahre lang, seit Mitte der 90er Jahre, war man davon ausgegangen, dass eine starke kosmologische Zensur immer nachgewiesen wird. Wir stellen diese Sichtweise in Frage.“
Peter Hinz, Mathematiker an der University of California
Die Wissenschaftler untersuchten Dunkle Sterne, wie sie Laplace 1796 nannte, unter Verwendung der Reissner-Nordstrøm-de-Sitter-Lösung. Sie beschreibt elektrisch geladene, nicht-rotierende Schwarze Löcher. Rein theoretisch würden derartige Objekte über einen Cauchy-Horizont verfügen.
Hinterm Cauchy-Horizont geht’s weiter
Jenseits dieser Grenze würde es weder Ursache noch Wirkung geben. Zeit und Raum würden innerhalb der Singularität nahtlos ineinander übergehen. Beführworter:innen der zweiten Zensur-Hypothese widersprechen dem. Sie argumentieren, dass ein solcher Horizont schon bei der geringsten Abweichung der Gravitationskraft eines kollabierenden Sterns von der Singularität ausgelöscht würde.
Die 2018er-Studie aber bestätigt es: Selbst bei derartigen Störungen könnte der Cauchy-Horizont rein technisch weiter bestehen. Der Grund sei, dass Schwarze Löcher nach Reissner-Nordstrøm einen leichten inneren Schub ausweisen würden. Dieser wirke der Anziehungskraft der Schwerkraft sowie deren zeit- und raumverzerrenden Effekten entgegen.
Quellen: „Quasinormal Modes and Strong Cosmic Censorship“ (2018, Physical Review Letters); eigene Recherche