In der Weltraumforschung hält sich seit circa 40 Jahren hartnäckig die Theorie, dass Galaxien Dunkle Materie besitzen. Diese Materie ist nicht sichtbar, doch von ihrer Existenz geht die Wissenschaft fest aus, da sich ohne sie vieles nicht erklären ließe. Doch neue Erkenntnisse bringen die althergebrachte Sichtweise gehörig ins Wanken.
Galaxien ohne Dunkle Materie möglich
Die aktuellen Nachforschungen zum Verhältnis von Galaxien und Dunkler Materie nahmen bereits 2018 ihren Anfang, wie es bei UCI News heißt. Damals machten die Forscher:innen Shany Danieli und Pieter van Dokkum eine spannende Entdeckung: Sie beobachteten zwei Galaxien, die anscheinend ohne den Großteil ihrer Dunklen Materie existierten. Schon damals sorgte das für viel Aufsehen in der Wissenschaft.
Diese Entdeckung bildete die Grundlage für eine neue Untersuchung, bei der Computersimulationen zum Einsatz kamen. Diese visualisieren die Geschichte des Alls über eine Strecke von 60 Millionen Lichtjahren vom Urknall bis heute – also einer anderen, weitaus umfangreicheren Simulation des Universums nicht unähnlich. Dabei fand das Forschungsteam sieben Galaxien fast gänzlich ohne Dunkle Materie. Entstanden sind sie durch Kollisionen mit benachbarten Galaxien, die 1000-mal massiger waren. Durch diese Zusammenstöße verloren sie einen Großteil ihrer Materie.
Die Wissenschaft steht Kopf
Die neuen Erkenntnisse haben die Forscher:innen rein zufällig entdeckt. Sie betonen, man habe das angewendete Computermodell nicht entwickelt, damit sie Galaxien ohne Dunkle Materie erschaffen könnten. Die dafür notwendigen Kollisionen waren nicht ausdrücklich implementiert worden. Trotzdem kam es innerhalb der Simulation dazu. Das stärkt das Modell in ihrer Aussagekraft nur umso mehr.
Die neuen Ergebnisse legen jedenfalls nahe, dass derlei Galaxien sogar recht häufig im All auftreten sollten, besonders in der Nähe massiverer Galaxien. Für die Wissenschaft bedeuten sie aber auch eine Herausforderung für das bislang bekannte Modell:
„Die Beobachtung, dass es Galaxien frei von Dunkler Materie gibt, ist für mich ein wenig besorgniserregend. Wir haben ein erfolgreiches Modell, entwickelt über Jahrzehnte harter Arbeit, in dem die meiste Materie im Kosmos dunkel ist. Es besteht jedoch immer die Möglichkeit, dass die Natur uns zum Narren gehalten hat.“
James Bullock, Astrophysiker an der UCI (University of California, Irvine)
Die Suche nach Beweisen
Noch müsse man das standardisierte Modell zu Dunkler Materie nicht hinter sich lassen. Und auch gibt es keine hundertprozentige Gewissheit, dass das neue Modell wirklich korrekt ist. Die Theorie zu den Vorgängen steht, doch jetzt müsse die Praxis mithelfen.
Die Forscher:innen hoffen, dass ihre Untersuchung nun andere dazu bewegt, tatsächlich im Nachthimmel nach ganz realen Beispielen zu suchen. „Ein echter Test wird zeigen, ob diese Dinger mit der Häufigkeit und den allgemeinen Eigenschaften existieren, die zu unseren Vorhersagen passen“, so Bullock.
Man kann nur hoffen, dass sich das Computermodell schon bald konkret belegen lässt. Es bleibt jedenfalls spannend, besonders auf diesem Forschungsgebiet: So haben Wissenschaftler:innen womöglich auch leuchtende Dunkle Materie beobachtet.
Quelle: „Galaxies lacking dark matter produced by close encounters in a cosmological simulation“ (2022, Nature Astronomy), UCI News