Im Wahlkampf klang alles ganz eindeutig: Die CDU unter Friedrich Merz versprach, den als Heizungsgesetz bekannten Paragraphen 72 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) abzuschaffen. Nun, da die neue große Koalition aus CDU und SPD bald ihre Arbeit aufnimmt, wird klar – so einfach ist es dann doch nicht. Statt einer radikalen Kehrtwende beim GEG zeichnet sich ein politischer Kompromiss ab. Für viele Eigentümerinnen, Eigentümer und Mietende bleibt die Frage: Was bedeutet das konkret für meine Heizung im Keller?
Heizungsgesetz: Das bedeutet „abschaffen“ wirklich
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) berichtet über die aktuellen Koalitionsverhandlungen und den politischen Eiertanz rund um das Heizungsgesetz. CDU-Politiker wie Jens Spahn hatten vollmundig angekündigt, das „Habeck’sche Heizungsgesetz“ abzuschaffen und „Subventionsprogramme à la Habeck“ zu beenden. Doch auf Nachfrage ruderte Spahn zurück: Die Union wolle das Gebäudeenergiegesetz nicht komplett auflösen – der Kohlendioxid (CO₂)-Ausstoß solle weiterhin gesenkt werden, nur eben nicht mit der „Brechstange“.
Auch die SPD zeigt sich gesprächsbereit. Zwar lehnt das klimapolitische Team der Sozialdemokratie die Formulierung „Abschaffung“ ab, doch inhaltlich gibt es viele Schnittmengen – etwa beim Wunsch nach mehr Technologieoffenheit, weniger Regulierung und einfacheren Regeln für Bürgerinnen und Bürger.
In der Praxis heißt das: Die bisherige Regelung, nach der neue Heizungen ab 2024 zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen, steht auf dem Prüfstand. Die neue Regierung unter Kanzlerkandidat Merz plant offenbar, diese zentrale Vorgabe des Heizungsgesetzes zu lockern oder zu streichen. Künftig sollen stattdessen CO₂-Emissionsgrenzwerte gelten, die technologieoffen erfüllt werden können. Klingt komplizierter – könnte aber mehr Flexibilität bringen.
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Verunsicherung am Markt
Für viele Nutzende bedeutet das vor allem Unsicherheit. Solltest du jetzt noch schnell auf eine Wärmepumpe umsteigen – oder lieber abwarten, was wirklich kommt? Genau diese Unklarheit hat im vergangenen Jahr zu einem massiven Einbruch beim Absatz von Wärmepumpen geführt.
Laut dem europäischen Wärmepumpenverband (European Heat Pump Association, EHPA) wurden 2024 in Deutschland weniger als 200.000 Wärmepumpen verkauft – dabei hatte die Bundesregierung ursprünglich das Ziel ausgegeben, jährlich 500.000 Geräte zu installieren. Hersteller wie Viessmann oder Vaillant mussten auf Kurzarbeit umstellen und Stellen abbauen.
„Der Wärmepumpensektor ist am Boden, aber noch lange nicht am Ende“, erklärte EHPA-Generaldirektor Paul Kenny im Februar. Die Menschen wollten Komfort, Energieunabhängigkeit und verlässliche Klimapolitik. Sobald Politik und CO₂-Bepreisung klar auf fossile Energien abzielten, werde sich das Verhalten der Verbraucher*innen entsprechend anpassen, so Kenny.
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Staatliche Förderung: Rekordhoch, aber unter Druck
Während Friedrich Merz das Heizungsgesetz symbolisch zur Abschaffung freigegeben hat, bleibt die staatliche Förderung für klimafreundliche Heizsysteme auf Rekordniveau. Bis zu 70 Prozent der Anschaffungskosten werden derzeit vom Staat übernommen – abhängig vom Einkommen, vom Systemtyp und vom Sanierungsumfang. Dennoch bleiben viele skeptisch – nicht zuletzt wegen der unklaren Signale aus der Politik.
Gleichzeitig handeln viele Bürger*innen, um sich noch die hohen Zuschüsse zu sichern. Allein in Bayern gingen 2024 über 42.000 Förderanträge ein, wie ein Förderreport der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zeigt.
Hinzu kommt: Die Betriebskosten könnten in den kommenden Jahren deutlich steigen – nicht wegen des Strompreises, sondern durch die CO₂-Bepreisung. Ab 2027 startet das neue europäische Emissionshandelssystem für Gebäude und Verkehr. Forschende des Mercator Research Institute (MCC) rechnen damit, dass der CO₂-Preis bis 2030 auf bis zu 200 Euro pro Tonne steigen könnte. Für ein durchschnittliches Einfamilienhaus mit Gasheizung wären das mehr als 1.000 Euro Zusatzkosten – jedes Jahr.
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Andere Länder sind längst weiter
Der deutsche Streit ums Heizungsgesetz wirkt wie ein Rückschritt, wenn man den Blick nach Europa richtet. In Frankreich ist der Einbau von Gasheizungen in Neubauten bereits verboten. Dänemark will bis 2030 nahezu alle fossilen Heizungen aus dem Markt genommen haben. Und in der Schweiz sorgt ein hoher CO₂-Preis schon heute dafür, dass Hausbesitzer*innen bevorzugt auf Wärmepumpen oder Holzpellets umsteigen – unterstützt durch Zuschüsse.
All diese Länder kombinieren ordnungspolitische Vorgaben mit finanziellen Anreizen – ganz ähnlich wie es das deutsche Heizungsgesetz ursprünglich vorsah. Doch statt an dieser Linie festzuhalten, wird in Deutschland nun der Rückwärtsgang geprüft – zumindest rhetorisch. Faktisch dürfte es eher auf ein Umformulieren hinauslaufen: neue Begriffe, ähnliche Ziele, etwas weniger Tempo.
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Was jetzt zählt: Klarheit, Verlässlichkeit, Vertrauen
Für dich bedeutet das: Es gibt derzeit keine Pflicht, die alte Gas- oder Ölheizung sofort auszutauschen. Aber es ist auch nicht klug, alles aufzuschieben. Wer ohnehin über eine Sanierung nachdenkt, kann jetzt noch von außergewöhnlich guten Förderkonditionen profitieren – bevor Merz und die CDU diese möglicherweise einschränken oder neu ausrichten.
Auch die Branche selbst warnt vor dem politischen Zickzackkurs. „Die Förderung ist für die Menschen ein entscheidender Anreiz für die Investition in ein effizientes klimaneutrales Heizsystem“, heißt es im aktuellen Positionspapier des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie (BDH). Weiter heißt es: „Investitionen dieser Größenordnung sind von vielen Menschen ohne staatliche Unterstützung nicht zu stemmen. Eine langfristig ausfinanzierte und verlässliche Förderung. Kurzfristige Förderkürzungen oder -stopps müssen unbedingt verhindert werden.“
Ob Union und SPD das Heizungsgesetz nun abschaffen, reformieren oder umetikettieren: Der politische Druck bleibt bestehen. Die EU-Klimaziele gelten weiter, und die Kosten fossiler Energien steigen unaufhaltsam. Die Ampel-Regelung mag auslaufen, aber eine neue Form des Gesetzes wird voraussichtlich folgen – mit mehr Spielräumen, weniger Bürokratie, aber ähnlicher Richtung. Denn eines ist sicher: Ohne eine grundlegende Wärmewende wird Deutschland seine Klimaziele nicht erreichen. Es liegt an der neuen Regierung, ob sie diesen Weg aktiv gestaltet – oder das Vertrauen in die Wärmepolitik weiter verspielt.
Quellen: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung; European Heat Pump Association; Kreditanstalt für Wiederaufbau; „CO2-Bepreisung zur Erreichung der Klimaneutralität im Verkehrs- und Gebäudesektor: Investitionsanreize und Verteilungswirkungen“ (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, 2023); Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie
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