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„Die Wannseekonferenz“: Kaltblütige Beratung über einen Völkermord

„Die Wannseekonferenz“ erzählt von der historischen „Besprechung mit anschließendem Frühstück“ einiger hoher Beamter und Offiziere des NS-Regimes. Dabei wurde mit – aus heutiger Sicht – unfassbaren Sätzen über den Völkermord an den Jüdinnen und Juden Europas beraten.

"Die Wannseekonferenz": Im repräsentativen Besprechungssaal sitzen die Teilnehmer an einem Tisch.. © ZDF / Julia Terjung
"Die Wannseekonferenz": Im repräsentativen Besprechungssaal sitzen die Teilnehmer an einem Tisch.. © ZDF / Julia Terjung

Anlässlich des 80. Jahrestages der historischen Wannseekonferenz, die am 20. Januar 1942 in einer Villa am Großen Wannsee in Berlin stattfand, zeigt das ZDF den überraschenden Spielfilm „Die Wannseekonferenz“ (24.1., 20:15 Uhr, ZDF) des vielfach preisgekrönten Regisseurs Matti Geschonneck (69, „Das Zeugenhaus“) und im Anschluss daran „Die Wannseekonferenz – Die Dokumentation“ (um 22 Uhr).

Darum ging es bei dem Treffen – damals und im Film

Am Vormittag des 20. Januar 1942 kommen in einer Villa in Berlin 15 führende Vertreter des NS-Regimes plus eine Sekretärin zusammen: SS, Reichskanzlei, Ministerien, Polizei, Verwaltung. Eingeladen hat der Chef der Sicherheitspolizei und des SD (Abk. für Sicherheitsdienst des Reichsführers SS) Reinhard Heydrich (1904-1942) zu einer „Besprechung mit anschließendem Frühstück“. Diese Zusammenkunft wird als „Wannseekonferenz“ in die Geschichte eingehen. Ausschließliches Thema ist die „Endlösung der Judenfrage“, die Organisation des systematischen, millionenfachen Massenmordes an den Jüdinnen und Juden Europas.

Der Film „Die Wannseekonferenz“ folgt so eng wie möglich dem von Adolf Eichmann (1906-1962) verfassten Besprechungsprotokoll, von dem nur ein Exemplar erhalten ist und das als Schlüsseldokument der Judenvernichtung gilt. Eichmann hatte auch die Redevorlage für Heydrichs Vortrag bei der „Besprechung“ verfasst. Als Leiter der Abteilung Judenangelegenheiten/Räumungsangelegenheiten im Reichssicherheitshauptamt war Eichmann für die gesamte Organisation der Deportation von Jüdinnen und Juden aus Deutschland und den besetzten europäischen Ländern zuständig.

Ein schockierender Film mit einfachsten Mitteln

Der kammerspielartige Film zieht sein Publikum von Anfang an in den Bann. Er ist interessant, schnell erzählt und überraschend fesselnd. Kleine Ortswechsel in eine Halle, auf die Terrasse oder in ein Hinterzimmer sorgen zwar für etwas optische Abwechslung. Das war’s dann aber auch schon. Die volle Konzentration liegt auf dem gesprochenen Wort, das im damals üblichen nüchternen NS-Beamtendeutsch schockierend unverblümt vorgetragen wird.

Besprochen wird das Vorhaben, elf Millionen Jüdinnen und Juden in Europa auszulöschen. Die unfassbaren Sätze treffen deshalb so sehr ins Mark, weil Regie-Star Matti Geschonneck bei diesem Film viele gewohnte Elemente weggelassen hat: Es gibt keine Musik, keine Einordnung, keinen Zeigefinger, keinerlei Manipulation. Auch folgt „Die Wannseekonferenz“ keiner klassischen dramaturgischen Handlung.

„Das für mich Erschreckende an dieser anderthalbstündigen Versammlung hochrangiger NS-Funktionäre, größtenteils studierte Juristen, war die Selbstverständlichkeit dieses Vorgangs, die den Charakter einer Produktionsbesprechung hatte: Zusammenarbeit und Koordination der beteiligten Instanzen, Festlegung des Zeitablaufs, Eingrenzung der Opfergruppen, die Suche nach erträglicheren Methoden des Mordens – erträglicher für die Mörder“, sagte Geschonneck dem Sender. Moralische Bedenken von Seiten der Teilnehmer habe es keine gegeben. Stattdessen sei ein Hauptanliegen des Gastgebers Reinhard Heydrich gewesen, „seinen Führungsanspruch bei der Gesamtorganisation der ‚Endlösung der Judenfrage‘ zu sichern“, fügte er hinzu.

In der Pressekonferenz erklärte Produzent Oliver Berben (50) zudem, warum er sich erneut mit dieser Thematik auseinandersetzen wollte, obwohl es ja schon zwei ältere Produktionen dazu gibt: „Weil es darum geht, Geschichte wachzuhalten, immer wieder Formen zu finden, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen“, so Berben. „Ein weiterer Grund war die Frage: Was kann aus Sprache entstehen? Was passiert, wenn das gesprochene Wort zur Aktion wird?“ Das seien Fragen, die heute auch wieder verstärkt gestellt würden.

Prominenter Cast im Film

Die Konferenzteilnehmer werden im Spielfilm „Wannseekonferenz“ von deutschen und österreichischen Theater-, Film- und Fernsehstars verkörpert: Philipp Hochmair (48, „Charité“) spielt Reinhard Heydrich und Johannes Allmayer (geb. 1978, „Gladbeck“) Adolf Eichmann. Als Eichmanns Sekretärin Ingeburg Werlemann (1919-2010) ist Lilli Fichtner (28) zu sehen.

„Ich habe über Wochen viele Dokumentationen angeschaut, um die Täterperspektive verstehen und als Schauspieler einnehmen zu können“, so Philipp Hochmair. „Verstehen heißt aber in dem Fall ganz klar nicht verzeihen“, fügte er hinzu. Rein schauspielerisch habe er versucht, sich in die 1930er-Jahre hineinzuversetzen. „Wie konnte es passieren, dass humanistisch gebildete Menschen wie Heydrich andere Menschen systematisch ausrotten wollten“, so Hochmair. Und er gab zu: „Es wurde zu einer psychischen Belastung, diese abartige menschenverachtende Sprache zu lernen und so zu verkörpern, als wären das meine persönlichen Gedanken.“ Wie extrem der Dreh war, fasst der Schauspieler so zusammen: „Zwei Monate Textlernen, zwei Monate Dreharbeiten und zwei Monate, um das alles wieder aus dem Kopf rauszubekommen. Das habe ich so noch nie erlebt.“

Auch Simon Schwarz (51, Eberhoferkrimis) spielte mit. Er ist als Martin Luther zu sehen, einem Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt. Sein Exemplar des Protokolls der Wannseekonferenz ist das einzig erhaltene. „Die Idee, die Wannseekonferenz als Kammerspiel umzusetzen, fand ich schon sehr besonders. Die Dialoge fast ausschließlich auf die Texte während der Konferenz zu reduzieren, um noch enger und gnadenloser an der Geschichte teilnehmen zu können – das war es, was mich von Beginn an gepackt und gleichzeitig geschüttelt hat“, erklärte Schwarz.

Schauspieler Maximilian Brückner (43) ist als Dr. Eberhard Schöngarth zu sehen. Er war Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Generalgouvernement. Auch Brückner war von den Texten geschockt. „Da das Drehbuch doch sehr nah mit den überlieferten Aufzeichnungen und Quellen arbeitet, war es geradezu ein Schock, dieses Drehbuch zu lesen. Stoffe wie diese müssen unbedingt verfilmt werden, um späteren Generationen eine Mahnung zu sein und den Opfern ein Mahnmal zu setzen“, sagte er.

Weitere Darsteller der NS-Sitzungsteilnehmer:

Frederic Linkemann (geb. 1981) verkörperte Dr. Rudolf Lange, den Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Lettland. Dr. Roland Freisler, Staatssekretär im Reichsjustizministerium, wurde von Arnd Klawitter (53) gespielt. Peter Jordan (54) ist als Dr. Alfred Meyer zu sehen. Meyer war damals Staatssekretär im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete sowie Gauleiter des Gaus Westfalen-Nord. Godehard Giese (49) verkörperte Dr. Wilhelm Stuckart, den Staatssekretär im Reichsministerium des Innern.

Außerdem vor Ort dabei waren der Ministerialdirektor in der Reichskanzlei, Friedrich Wilhelm Kritzinger (Thomas Loibl, geb. 1969), Heinrich Müller, der Chef der Geheimen Staatspolizei im Reichssicherheitshauptamt (Jakob Diehl, geb. 1978) sowie Erich Neumann, Staatssekretär beim Beauftragten für den Vierjahresplan (Matthias Bundschuh, geb. 1966). Ebenfalls teilgenommen hat Dr. Gerhard Klopfer, Stellvertretender Leiter der Partei-Kanzlei der NSDAP (Fabian Busch, 46). Er wurde 1946 festgenommen und interniert, später entnazifiziert. Er ließ sich 1956 als Rechtsanwalt nieder und starb 1987 als letzter Teilnehmer der Wannseekonferenz.

Komplettiert wurde die Runde durch Dr. Georg Leibbrandt, Ministerialdirektor im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete (Rafael Stachowiak, geb. 1981), Dr. Josef Bühler, Staatssekretär im Amt des Generalgouvernements (Sascha Nathan, 44) und Otto Hofmann, der Chef des Rasse- und Siedlungshauptamts (Markus Schleinzer, 50).

(ili/spot)

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