Mit Krimis macht man in Deutschland selten etwas falsch, wie die zahlreichen „Tatort“- und „Polizeiruf“-Reihen seit Jahrzehnten eindrucksvoll beweisen. Die ungekrönte Königin der Whodunit-Unterhaltung kam aber aus England und hörte auf den Namen Agatha Christie (1890-1976). Eines ihrer berühmten Werke um Meisterdetektiv Hercule Poirot, „Tod auf dem Nil“ von 1937, kommt am 10. Februar in neuem Gewand ins Kino – mit massiverer Verspätung als ihr weltberühmter „Orient Express“. Für die Kino-Verzögerung war jedoch keine Lawine verantwortlich, über die Produktion brach etwas anderes herein Und nein, nicht ausschließlich die Corona-Pandemie.
Ein weiteres Rätsel für Hercule Poirot – darum geht es
Der Ägyptenurlaub des belgischen Meisterdetektivs Hercule Poirot (Kenneth Branagh, 61) an Bord eines mondänen Dampfers wandelt sich zu einer erschütternden Suche nach einem Mörder, als die idyllischen Flitterwochen eines perfekten Ehepaars ein jähes und tragisches Ende erfahren. Es entspinnt sich ein emotionales Chaos auf dem Schiff, das die tödlichen Konsequenzen aufzeigt, die von obsessiver Liebe ausgelöst werden können.
Doppeltes Pech
Wie die gesamte Kino-Industrie war auch „Tod auf dem Nil“ von und mit Kenneth Branagh von der Corona-Pandemie überrascht worden. Davon unabhängig sorgten aber schon zuvor gewisse Umstände für eine Verzögerung des ursprünglich für November 2019 geplanten Kinostarts. So führte die Übernahme von 20th Century Fox durch Disney dazu, dass der Streifen Ende 2020 erscheinen sollte – ein Datum, das dann die Pandemie nicht zuließ.
Das größte Problem des Films dürfte sich jedoch auf der Liste der Darsteller finden. Schauspieler Armie Hammer (35) verkörpert in „Tod auf dem Nil“ die Figur Simon Doyle, die männliche Hauptfigur neben Detektiv Hercule Poirot. Doch im Januar 2021 erhob eine Frau verstörende Vorwürfe gegen den Star, von Missbrauch und Kannibalismus-Fantasien war die Rede. Hammer verlor daraufhin sämtliche zukünftige Film-, TV- und Theater-Engagements. „Tod auf dem Nil“ war jedoch schon abgedreht…
Anders als im Fall von Kevin Spacey (62) und dessen Film „Alles Geld der Welt“ (2017) entschied man sich dagegen, Hammer aus dem fertigen Film herauszuschneiden und via Nachdrehs durch einen anderen Schauspieler zu ersetzen. Das wäre angesichts der Größe seines Parts finanziell wohl auch schlichtweg unmöglich gewesen.
Was dürfen Agatha-Christie-Fans erwarten?
Die Leidtragenden sind alle, die an dem imposant inszenierten Kammerspiel-Krimi mitgewirkt haben, vor und/oder hinter der Kamera. Und das ist ein Jammer. Denn wie schon bei Branaghs erster Christie-Neuverfilmung, „Mord im Orient Express“ von 2017, versammelte der Regisseur und Schauspieler neben sich ein beeindruckendes Star-Ensemble. Unter anderem auf dem Dampfer mit dabei: Gal Gadot (36), Annette Bening (63), Letitia Wright (28) und Russell Brand (46).
Fans des Romans dürfen sich auf eine optisch auf den neuesten Stand gebrachte Filmversion des Stoffs im Vergleich zu der Verfilmung von 1978 freuen, in der noch Peter Ustinov (1921-2004) als Poirot die Ermittlungen führte. Wie schon bei „Mord im Orient Express“ bleibt Branagh der Vorlage weitestgehend treu, auch wenn er sie etwas actionreicher in Szene setzt.
Im direkten Vergleich zu „Mord im Orient Express“ wartet die Geschichte von „Tod auf dem Nil“ jedoch von vornherein mit deutlich konventionellerer Auflösung auf. Zudem erbrachte unlängst der spannende Krimi „Knives Out – Mord ist Familiensache“ mit Daniel Craig (53) den Beweis, dass auch brandneue Whodunit-Geschichten möglich sind – ganz ohne jahrzehntealte Vorlage.