Es gibt Vieles im All, das mysteriös und bisher unerklärlich ist. Dazu zählt auch die Dunkle Materie, die merkwürdige Substanz, die die gewöhnliche Materie im Verhältnis von fünf zu eins zu übertreffen scheint. Eine neue Theorie versucht sie näher zu deuten, wirft aber gleichzeitig neue Fragen auf. Sie bringt die Materie in Zusammenhang mit einer Urknalltheorie: Könnte es sein, dass die Dunkle Materie dem Universum noch vor dem Big Bang entsprungen ist?
Bizarre Urknalltheorie: Dunkle Materie vor dem Nichts?
Das Universum dehnt sich aus, so viel wissen wir bereits. Alles bewegt sich von allem immer weiter weg. Folgt man dieser Zeitachse zurück, rückt nach dieser Logik alles näher zusammen, bis schließlich zu einem Zeitpunkt, an dem alles in einem winzigen Raum zusammengepfercht war – mit einer unendlichen Dichte. Laut der Urknalltheorie war es dieser als Singularität bezeichnete Zustand, der vor etwa 13,7 Milliarden Jahren in einer epischen Explosion endete.
Daraus ist dann sowohl gewöhnliche Materie als auch Dunkle Materie entstanden und die Struktur, die wir heute als Universum verstehen, bildete sich. Dunkle Materie hat großen Einfluss auf gewöhnliche Materie, ist aber komplett unsichtbar. Das macht es äußerst schwierig, sie zu studieren. Wir wissen bisher kaum etwas darüber, woraus sie besteht: Photonen, Axionen, Makropartikel, alles ist möglich. Doch kein Experiment könnte sie aufspüren.
Genau da setzt die neue Studie an, die die Urknalltheorie in einen stärkeren Zusammenhang mit Dunkler Materie stellt, als alle anderen zuvor. Einem Physiker der John Hopkins University zufolge liegt der Grund für die Unaufspürbarkeit der Dunklen Materie darin, dass sie, wie auch immer beschaffen, während des Urknalls produziert wurde.
Hat Dunkle Materie nach dem Urknall bei der Formung des Universums „geholfen?“
„Wenn die Dunkle Materie wirklich ein Überbleibsel des Urknalls wäre, hätten Forscher in vielen Fällen bereits in verschiedenen Experimenten der Teilchenphysik ein direktes Signal der Dunklen Materie sehen müssen“, sagte Tommi Tenkanen, ein Autor der Studie. Darauf folgert er: „Dunkle Materie könnte dem Urknall vorausgegangen sein.“
Das könnte sogar möglich sein. Vielen denken schließlich, dass der Urknall der Beginn von Zeit und Raum war, vorher also ein Nichts existierte. Aber genau das können wir nicht mit Sicherheit sagen. Möglicherweise, so die neue Studie, habe sich gewöhnliche Materie während des Big Bang gebildet, Dunkle Materie jedoch früher in einer Phase kosmischer Inflation, also Ausdehnung. Danach könnte sie dem Universum quasi dabei „geholfen“ haben, die gewöhnliche Materie zu Galaxien und Clustern zu formen.
Während dieser Phase, also bevor sich das Universum wieder zusammenzogen habe, was im Urknall endete, habe es eine Sorte von Partikeln namens Skalare produziert. Bisher ist nur eine Art dieser Partikel bekannt: das Higgs-Boson oder Higgs-Teilchen. Laut Tenkanen könnte auch Dunkle Materie in diese Kategorie fallen.
Seine Theorie beschreibt der Physiker als das simpelste mögliche mathematische Szenario für den Ursprung von Dunkler Materie. Damit ist noch nichts bewiesen, aber der Schöpfer dieser Urknalltheorie bleibt optimistisch: „Wir wissen nicht, was dunkle Materie ist, aber wenn sie irgendetwas mit skalaren Partikeln zu tun hat, ist sie möglicherweise älter als der Urknall“, sagt Tenkanen.
Der Urknall bleibt mysteriös
Und nun? Tenkanen selbst gibt zu, dass es trotz seiner Dunklen Materie- und Urknalltheorie schwierig werden dürfte, die Partikel aufzuspüren. Neuartige Satelliten wie Euclid von der European Space Agency könnten jedoch helfen. Die Studie wurde in den Physical Review Letters veröffentlicht.
Einige Forscher auch davon aus, dass ein zweiter Urknall bevorsteht, der das Ende des Universum bedeuten könnte. Das dürfte übel für uns ausgehen, wie diese Szenarien zum Ende des Universums zeigen. Möglicherweise haben wir aber auch schon Universum Nr. 6 erreicht.