Der XENON1T-Detektor im Gran-Sasso-Untergrundlabor des Nationalen Instituts für Kernphysik in Italien gilt als eines der wichtigsten Experimente hinsichtlich der Suche nach den flüchtigen Teilchen der Dunklen Materie. Bei der Analyse von Daten des Detektors wurde nun ein Signalüberschuss entdeckt, der nicht zu den Vorhersagen des Standardmodells der Teilchenphysik passt. Woher dieses unerwartete Signal stammt, ist noch nicht vollständig geklärt, demnach könnte es sich als lediglich banal erweisen – oder endlich eine Fährte in Richtung der hypothetischen Substanz ebnen.
Signalüberschuss im XENON1T-Detektor könnte auf Existenz der Dunklen Materie hindeuten
Das XENON-Kollaboration ist ein Experiment zur Suche nach WIMPs, einer Variante der Dunklen Materie, innerhalb dessen seit knapp 20 Jahren versucht wird, ebendiese flüchtige Substanz final aufzuspüren. Bislang blieben die Anstrengungen in diese Richtung jedoch ergebnislos. In einem kürzlich veröffentlichten, noch nicht geprüften Vorab-Gutachten offenbaren die beteiligten Forscher nun allerdings einen spannenden Fund: Zwischen Februar 2017 und Februar 2018 sei es im 3,2 Tonnen schweren, höchst empfindlichen Detektor unerwartet zu überraschend vielen Teilchenzusammenstößen mit Elektronen gekommen.
Der Detektor ist eine Zwei-Phasen-Zeitprojektionskammer mit flüssigen Xenon als Detektormaterial und gasförmigem Xenon am oberen Rand des Detektors. Fliegt ein Teilchen durch das verflüssigte Xenon, kann es mit den Xenon-Atomen zusammenstoßen, somit schwache Lichtsignale auslösen und Elektronen aus dem getroffenen Xenon-Atom schlagen. Der Abgleich der XENON1T-Daten mit den erwarteten 232 Ereignisse bekannter Teilchen offenbarte allerdings einen überraschenden Signalüberschuss von 53 Ereignissen.
„Die neuen Ergebnisse unseres Xenon-Detektors sind sehr aufregend“, erklärt Laura Baudis, die als Physik-Professorin an der Universität Zürich agiert und führend am Projekt beteiligt ist. „Wir behaupten nicht, Dunkle Materie gefunden zu haben, aber wir können uns den unerwarteten Signalüberschuss noch nicht vollständig erklären.“
Was bedeutet der entdeckte Signalüberschuss?
Tatsächlich könnte sich diese Fährte in Richtung der Dunklen Materie lediglich als eine noch unentdeckte radioaktive Verschmutzung mit Tritium-Atomen entpuppen und ließe sich laut der Forscher somit als banal einstufen. Denn: Tritium ist ein radioaktives Wasserstoffisotop, das unter Aussendung eines Antineutrinos sowie eines Elektrons spontan zerfällt. Bereits winzige Mengen Tritium im Detektor könnten demnach das Signal erklären.
Doch es existieren auch weitaus interessantere Erklärungen für den Signalüberschuss, beispielsweise die Existenz eines völlig neuen Teilchens. Das gemessene Energiespektrum gleicht dem, das für in der Sonne erzeugte Axionen erwartet wird. Axionen sind hypothetische Teilchen, die einer in der Natur beobachtete Symmetrie der Kernkräfte entsprechen. Ein solcher Nachweis wäre die erste Beobachtung einer neuen Klasse von Teilchen, denn im frühen Universum erzeugte Axionen könnten eine Quelle für Dunkle Materie darstellen, berichtet Spektrum.
Eine weitere mögliche Erklärung könnten auch überraschende und bislang unentdeckte Eigenschaften von Neutrinos darstellen, da Billionen von Neutrinos durchgegend völlig ungehindert den Detektor durchqueren und somit ebenso für das Signal verantwortlich sein könnten.
Die Suche nach den massereichen Teilchen der Dunklen Materie ist also noch immer nicht vollständig geklärt, obgleich Forscher weiterhin von ihrer Existenz überzeugt sind. Ein Gedankenexperiment untersuchte im letzten Jahr erstmals, welchen Effekt Dunkle Materie auf den menschlichen Körper haben könnte.