Am 15. November 2021 versetzte Russland die internationale Weltraumgemeinschaft in Aufruhr, als es im Rahmen des Ukraine-Kriegs einen Anti-Satelliten-Raketentest (ASAT-Raketentests), gerichtet auf seinen nicht ausgemusterten Militärsatelliten Tselina-D, durchführte. Der Satellit zerschellte in einer riesigen Wolke aus gefährlichen Trümmern, was internationale Kritik hervorrief und die Notwendigkeit eines verantwortungsvollen Verhaltens im Weltraum unterstrich. Die ISS-Besatzung wurde mitten in der Nacht geweckt, und sogar Chinas Raumstation Tiangong wurde wegen der drohenden Gefahr in Alarmbereitschaft versetzt.
Ukraine-Krieg: Russland fährt mit ASAT-Tests fort
Die Folge der Explosion war eine Trümmerwolke mit mehr als 1.500 Fragmenten, die größer als zehn Zentimeter waren, und möglicherweise Millionen kleinerer Teile, die alle von einem bodengestützten Radar geortet werden konnten. Die Streuung der Trümmer reichte von 300 Kilometern bis zu 1.100 Kilometern Höhe und stellte eine erhebliche Gefahr für andere Satelliten und Raumfahrzeuge dar. Trotz dieser Gefahr werden ASAT-Waffen seit den 1950er Jahren getestet, zunächst von den USA und der UdSSR, später dann auch von Ländern wie China und Indien.
Als die USA jedoch die schrecklichen Folgen des Weltraummülls erkannten, stellten sie 2022 die Tests von Anti-Satellitenwaffen im Weltraum ein. In der Forschungsarbeit „Star Wars: Anti-Satellite Weapons and Orbital Debris“ (Sternenkrieg: Anti-Satellitenwaffen und Weltraummüll) beleuchten Anelí Bongers und José L. Torres den gefährlichen Zustand des Weltraums, in dem sich bereits rund 6.000 Satelliten und 131 Millionen Trümmerteile befinden. Selbst ein winziges Fragment, das sich mit etwa 36.000 Kilometern pro Stunde bewegt, kann Satelliten und Raumstationen erheblich beschädigen.
Die Forschenden betonen insbesondere die Gefahr des Kessler-Syndroms, bei dem eine Reihe von Kollisionen zu einer Trümmerwolke führen, die den erdnahen Orbit (LEO) innerhalb von vierzig Jahren nach einem ASAT-Test unbrauchbar machen könnte. Dieses Risiko in Verbindung mit der wachsenden wirtschaftlichen und geopolitischen Bedeutung von Satelliten macht ASAT-Tests zu einem erheblichen wirtschaftlichen Risiko. Durch die russische Machtdemonstration in Zuge des Ukraine-Kriegs wird ebendieses Risiko weiter verstärkt.
Bongers und Torres warnen vor Folgen
Das Forschungsduo bezeichnet den Weltraum auch als „unregulierten Markt“ und weist darauf hin, dass ohne Regeln eine übermäßige Ausbeutung dazu führen könne, dass diese Ressource für alle weniger nutzbar sei, was möglicherweise zu einem ausgewachsenen Krieg im Weltraum führen könne.
Bongers und Torres betonen den militärischen Wert von Satelliten in der modernen Kriegsführung und weisen darauf hin, dass ohne die Fähigkeit, gegnerische Satelliten zu deaktivieren, der Sieg ungewiss sein könnte. So ist die Erdumlaufbahn zu einem weiteren Schlachtfeld geworden.
Die Komplikationen werden durch das anhaltende Wettrüsten im Weltraum noch verschärft, wo jeder Satellit mit Antrieb als ASAT eingesetzt werden kann und Rendezvous- und Proximity Operations (RPO)-Satelliten als getarnte ASATs fungieren können. Dieses prekäre Szenario unterstreicht die dringende Notwendigkeit umfassender internationaler Regelungen, um einen katastrophalen Krieg im Orbit zu verhindern und eine nachhaltige Nutzung des Weltraums zu fördern.
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„Gefahr für die Aktivitäten im Weltraum“
„Die durch den russischen Test verursachten Trümmer werden noch jahrelang eine Gefahr für die Aktivitäten im Weltraum darstellen, Satelliten und Weltraummissionen gefährden und zu weiteren Kollisionsvermeidungsmanövern zwingen“, warnt auch der US-amerikanische Armeegeneral James Dickinson. Er war Kommandeur des Weltraumkommandos, als die USA ihrerseits noch ASAT-Tests durchführten. „Weltraumaktivitäten untermauern unsere Lebensweise, und diese Art von Verhalten ist einfach unverantwortlich.“
Im Rahmen des Ukraine-Kriegs könnten sich solche Tests von Seiten Russlands weiter häufen. Denn neben ihrer Funktion der Erprobung, dienen sie auch der Machtdemonstration – nicht nur gegenüber der Ukraine, sondern auch der NATO. Die Unberechenbarkeit der dadurch verursachten Trümmer könnte jedoch zu nicht unwesentlichen Kollateralschäden führen, sowohl bei den Raumfahrzeugen von Russland kritisch gegenüberstehenden Nationen als auch dessen befreundeten Staaten.
Quellen: „Star Wars: Anti-Satellite Weapons and Orbital Debris“ (Defense and Peace Economics, 2023); Universe Today
Seit dem 24. Februar 2022 herrscht Krieg in der Ukraine. Hier kannst du den Betroffenen helfen.