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Grönland: Unter dem Eis – Forscher stoßen auf „Warnung für die Zukunft“

Forscher entdeckten eine alte Gesteinsprobe aus Grönland. Nach ihrer Analyse hatten sie keine guten Neuigkeiten zu berichten.

Nordlichter in Grönland
© Ingemann - stock.adobe.com

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Grönland ist in weiten Teilen eine unbarmherzige Landschaft aus Schnee und Eis. Dennoch geht Jahr für Jahr mehr davon dauerhaft verloren. Der Grund? Der von Menschen gemachten Klimawandel sagt auch diesem entlegenen Fleckchen Erde zu. Forschende haben nun herausgefunden, das Grönland bereits einst einfrei war. Allerdings hatte dies gravierende Konsequenzen für andere Teile der Erde, die heute stark besiedelt sind.

Grönland war einst eisfrei

Im Süden von Grönland soll es vor 400.000 Jahren dicke Fichtenwälder mit massenhaft Insekten und anderen Lebewesen gegeben haben. Im Nordwesten hingegen habe sich die struppige Tundra über weite Teile erstreckt. Die Büsche und Sträucher sollen sich im Sonnenlicht gesonnt haben. Aber auch der Meeresspiegel war um einiges höher – konkret sechs bis zwölf Meter. Etliche heutige Küstengebiete lagen zu dieser Zeit also noch weit unter Wasser.

Zu diesen Erkenntnissen kam das Team um Paul Biermann und Tammy Rittenour. Beide lehren und forschen in den Umwelt- beziehungsweise Geowissenschaften. Dazu untersuchten sie eine Probe, die man bereits während des Kalten Krieges entnahm. Ein Team von amerikanischen Wissenschaftler*innen und Ingenieur*innen entnahm diese im Juli 1966. Allerdings geriet sie trotz beachtlichen Arbeitseinsatzes vorerst in Vergessenheit.

Sechs Jahre ins Eis gebohrt

Die Amerikaner*innen unternahmen 1966 den Versuch nahe ihrer Militärbasis das Eis in Grönland zu durchbohren. Zuerst kämpften sie sich durch eine fast anderthalb Kilometer dicke Eisschicht, bis sie weitere 12 Meter in den einigen Boden bohrten, der bereits seit Jahrtausenden kein Sonnenlicht gesehen hatte. Das ganze Unterfangen dauerte sechs Jahre.

Zwar gab es einige Studien zu Grönland aus dieser Zeit – sie schlugen sogar eine wesentlich wärmere Periode hervor, die Biermann und Rittenour nun bestätigen können – aber es gab einige Herausforderungen. Man hatte kaum Möglichkeiten die Grönland-Probe zu datieren. Man konnte also vermuten, dass Grönland mal eisfrei war, aber nicht wann.

Die Probe verschwand in der hintersten Ecke eines Gefrierschranks einer dänischen Forschungseinrichtung. Schnell bildete sich um Biermann und Rittenour ein internationales Forschungsteam. Mithilfe moderner Analysemethoden wollte man nun endlich die drängenden Fragen beantworten.

Unter dem Eis: Das zeigt die Bodenprobe

In dem eiskalten, antiken Boden Grönlands fanden die Wissenschaftler*innen unter anderem fossile Pflanzen, die bestätigen, dass das Land unterhalb der amerikanischen Militärbasis einst einfrei war. Für eine genaue Datierung haben sie den Kern der Bodenprobe genauer untersucht. Mithilfe der sogenannten Lumineszenzdatierung konnten sie „genaue Erinnerung an seine letzte Sonneneinstrahlung“ einsehen. Daraus schlossen sie, dass das Grönland-Eis vor 424.000 bis 374.000 Jahren verschwunden sein muss.

Bei der Lumineszenzdatierung untersuchten die Forschenden die im Gestein gespeicherten Mineralien. „Im Laufe der Zeit sammeln Mineralien Energie an, wenn radioaktive Elemente wie Uran, Thorium und Kalium zerfallen und Strahlung freisetzen. Je länger das Sediment vergraben ist, desto mehr Strahlung reichert sich als eingefangene Elektronen an.“, erklärt Biermann und Rittenour zur Vorgehensweise.

Je länger die radioaktiven Elemente also im Eis vergraben sind, umso mehr Strahlung lässt sich nachweisen. Hier untersuchte man die radioaktiven Isotope Aluminium und Beryllium und konnte damit das Verschwinden der Eisdecke datieren. Genauere Einblicke in die Vorgehensweise beschreiben die Forschenden in ihrer Studie.

Fund ist eine „Warnungen für die Zukunft“

Doch so spannend es sein mag, dass die längst vergessene Bodenprobe aus Grönland nun endlich erforscht werden konnte, so beunruhigend sind die Rückschlüsse auch. Biermann beschreibt den Fund ganz klar als eine „Warnung für die Zukunft“. Die Forschung verrät uns, was passiert, wenn das Grönland-Eis vollständig schmilzt. Das hätte globale Auswirkungen und wird gerade aktiv durch den von Menschen gemachten Klimawandel begünstigt.

Er macht darauf aufmerksam, dass wir aktuell die heißesten Perioden seit Beginn der Wetteraufzeichnungen erleben. „Diese Hitze schmilzt die Eisdecke , und der Eisverlust erwärmt den Planeten weiter, da dunkles Gestein Sonnenlicht aufsaugt, das einst von hellem weißem Eis und Schnee reflektiert wurde.“, führt er das daraus resultierende Problem aus.

Grund für diese drastische Aufheizung von Grönlands Eisflächen ist das in der Atmosphäre befindliche Kohlendioxid. „Sofern die Menschen die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre nicht drastisch senken, deuten die Beweise, die wir über die Vergangenheit Grönlands gefunden haben, auf eine weitgehend eisfreie Zukunft der Insel hin.“ In der Folge würde der Meeresspiegel ansteigen und Orte wie Venedig, Miami oder Mumbai zu unbewohnbaren Tsunami-Landschaften machen.

Quelle: „Deglaciation of northwestern Greenland during Marine Isotope Stage 11“ (Science, Juli 2023); The Conversation

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