Eine bahnbrechende Entdeckung eines internationalen Teams von Astronom*innen stellt bestehende Theorien über die Sternenbildung in der Nähe des zentralen Schwarzen Lochs unserer Galaxie in Frage. Durch die Nutzung des James Webb-Weltraumteleskops und aufbauend auf jahrzehntelangen Daten haben die Forschenden den Sternenhaufen IRS13 erforscht, der sich in der Nähe von Sagittarius A* (Sgr A*) befindet. Was sie entdeckt haben, widerspricht früheren Annahmen: IRS13 ist erstaunlich jung, besonders angesichts seiner Nähe zu den störenden Kräften des Schwarzen Lochs, und wirft neue Fragen über die Geschichte und das Innenleben der Milchstraße auf.
Milchstraße: Zu junge Sterne im Zentrum
Obwohl IRS13 bereits vor über zwei Jahrzehnten entdeckt wurde, blieben seine genauen Eigenschaften bis jetzt unklar. Fortschrittliche Techniken, die Daten aus mehreren Jahrzehnten von verschiedenen Teleskopen kombinieren, ermöglichten es dem Team, spezifische Sterne innerhalb des Haufens zu identifizieren. Das offenbarte die unerwartet jugendliche Demografie des Sternhaufens.
Die Astronominnen und Astronomen stellten fest, dass die Sterne innerhalb von IRS13 nur ein paar hunderttausend Jahre alt sind. Diese jungen Sterne existieren unter Bedingungen, die ihre Bildung theoretisch ausschließen sollten, umgeben von intensiver Hochenergiestrahlung und den mächtigen Gezeitenkräften der Milchstraße unterworfen. Die bloße Existenz dieser Sterne widerspricht etablierten astronomischen Theorien, da sie deutlich jünger sind als andere Himmelskörper, wie unsere Sonne, die fünf Milliarden Jahre alt ist.
„Die Analyse von IRS13 und die damit verbundene Interpretation des Haufens ist der erste Versuch, ein jahrzehntealtes Rätsel um die unerwartet jungen Sterne im galaktischen Zentrum zu lösen“, zitiert SciTechDaily Dr. Florian Peißker vom Institut für Astrophysik der Universität zu Köln. „Neben IRS13 gibt es einen Sternhaufen, den sogenannten S-Haufen, der noch näher am Schwarzen Loch liegt und ebenfalls aus jungen Sternen besteht. Auch sie sind deutlich jünger, als es nach den gängigen Theorien möglich wäre.“ Das „sollte nicht möglich sein“, meint Dr. Peißker.
Wissenschaftlicher Durchbruch
Das Team von Dr. Peißker vertieft sich weiter in die Vergangenheit des Haufens und deutet auf eine turbulente Geschichte für IRS13 hin. Der Haufen, so theorisieren sie, habe seinen Ursprung nicht in der Nähe des Schwarzen Lochs, sondern sei dorthin gewandert. Einmal in den gravitativen Fängen von Sgr A*, habe der Haufen eine erhöhte Staubdichte erlebt, was möglicherweise weitere Sterngeburten anregte. Diese Abfolge von Ereignissen bietet eine plausible Erklärung dafür, warum die jüngsten Sterne sich im Vordergrund von IRS13 gruppieren.
Der Sternhaufen IRS13 scheine der Schlüssel zu sein, um den Ursprung der dichten Sternpopulation im Zentrum unserer Galaxie zu entschlüsseln, ergänzt Dr. Michal Zajaček, Zweitautor der Studie und Wissenschaftler an der Masaryk-Universität im tschechischen Brünn.
„Wir haben umfangreiche Belege dafür gesammelt, dass sich sehr junge Sterne im Bereich des supermassiven Schwarzen Lochs in Sternhaufen wie IRS13 gebildet haben könnten. Es ist auch das erste Mal, dass wir Sternpopulationen unterschiedlichen Alters – heiße Hauptreihensterne und junge entstehende Sterne – in einem Haufen so nahe am Zentrum der Milchstraße identifizieren konnten.“
Dr. Michal Zajaček
Quellen: SciTechDaily; „The Evaporating Massive Embedded Stellar Cluster IRS 13 Close to Sgr A*. I. Detection of a Rich Population of Dusty Objects in the IRS 13 Cluster“ (The Astrophysical Journal, 2023)