Für die meisten Menschen in Deutschland ist der Klimawandel nur wenig greifbar. Häufig erreicht er sie in Form von Meldungen in der Presse, Studien, Bildern aus besonders stark betroffenen Regionen, Aktivismus und Reformen aus der Politik. Hin und wieder aber macht sich der Ernst der Krise aber auch im Urlaub bemerkbar – vor allem, wenn man beliebte Reiseziele im Laufe der Zeit betrachtet.
Gletscher nach 15 Jahren fast verschwunden
Der Softwareentwickler Ducan Porter machte diese verstörende Erfahrung bei einem Urlaub in der Schweiz. Urlaubsfotos zeigen ihn und seine Frau vor dem Rhonegletscher im Nordosten des Kantons Wallis. Die Bilder zeigen das Ehepaar in einem Abstand von fast genau 15 Jahren vor dem Talgletscher im Quellgebiet der Rhone – beziehungsweise vor dem, was nach dieser Zeit von ihm übrig geblieben ist. Die Eismassen sind beinahe verschwunden. Was bleibt, sind Stein, Wasser und ein fader Beigeschmack.
„Fünfzehn Jahre minus einen Tag zwischen diesen Fotos. Aufgenommen am Rhonegletscher in der Schweiz heute“, schrieb Porter in seinem Beitrag auf der Plattform X. „Ich werde nicht lügen, es hat mich zum Weinen gebracht.“
„Es war ein sehr beeindruckender Gletscher“, erinnerte sich Sonia Seneviratne, eine Schweizer Klimaforscherin und Mitverfasserin eines Berichts des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), im Guardian. „Es ist sehr traurig, diese Bilder zu sehen, weil man sieht, wie groß die Veränderungen waren.“
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„Bis 2060 wird der Rhonegletscher die Hälfte seines Volumens verlieren“
Tatsächlich hatte der Rhonegletscher bereits 2009, zum Zeitpunkt des ersten Bildes, einen beachtlichen Wandel hinter sich. Gerade mal ein Jahr zuvor, also 2008, hatte die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich in Zusammenarbeit mit der ETH Lausanne den Zustand des Gletschers über einen Zeitraum von 226 Jahren errechnet – von 1874 bis ins Jahr 2100. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen ergaben, dass die Temperaturen in der Region bis 2100 um 3,8 Grad Celsius (°C) höher sein dürften als noch 1990. Die Regenmenge werde bis dahin um etwa sechs Prozent abnehmen.
„Bis 2060 wird der Rhonegletscher die Hälfte seines Volumens verlieren und im Jahr 2100 wären sogar nur noch 5 % des Gletschers vorhanden“, erklärte Matthias Huss von der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie damals im Rahmen einer Pressemitteilung. „Da wir nicht wissen, wie sich das Klimasystem in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird, sind diese Prognosen mit einer gewissen Unsicherheit behaftet“, merkte er zwar an, allerdings decken sich die Erkenntnisse der Forschenden weitgehend mit neueren Untersuchungen.
Der Klimawandel führt zu einem merkbaren Anstieg der globalen Temperaturen. Höhere Temperaturen verursachen ein Schmelzen der Eismassen an den Gletscheroberflächen sowie an den Rändern. Das führt zu einem Rückgang der Gletschergröße und -masse, was wiederum den Meeresspiegel ansteigen lässt und Ökosysteme sowie Wasserressourcen in betroffenen Regionen beeinflusst. Der Verlust von Gletschern kann auch zu einer Reduzierung der Trinkwasserverfügbarkeit und veränderten Flussläufen führen, was erhebliche Auswirkungen auf Mensch und Natur hat.
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Kritische Erwärmungstrends beobachtet
„Die Temperaturen in Europa insgesamt zeigen einen langfristigen Erwärmungstrend“, hieß es im European State of the Climate 2023 des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus. „Die Trends sind jedoch im Laufe der Zeit nicht einheitlich und zeigen im Allgemeinen wenig Veränderung oder eine schwache Abkühlung von den 1950er bis zu den 1980er Jahren und den Großteil der Erwärmung danach.“
Das Jahr 2023 sei insgesamt um 1,02 bis 1,12 °C wärmer gewesen als der Durchschnitt des Referenzzeitraums 1991 bis 2020. Damit sei es das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen für Europa. „Die drei wärmsten Jahre, die für Europa aufgezeichnet wurden, liegen alle seit 2020, und die zehn wärmsten seit 2007“, so der Bericht weiter.
Das beschleunigt jedoch nicht nur das Schmelzen der Gletscher, sondern gefährdet zudem die Existenzgrundlagen eines großen Teils der Weltbevölkerung.
Quelle: X/misterduncan; The Guardian; Eidgenössische Technische Hochschule Zürich; Copernicus
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