Seit fast einem Jahrhundert versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die beiden wichtigsten Theorien der Physik miteinander in Einklang zu bringen: die Quantenphysik und Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie. Das Problem ist, dass diese Theorien nur dann funktionieren, wenn das Universum nur eines von vielen ist. Bislang ist die Forschung aber nicht dazu in der Lage, einen Beweis für dieses Multiversum zu finden.
Viele Welten im Multiversum
Die Viele-Welten-Interpretation (VWI) geht davon aus, dass jede mögliche Entscheidung, die in unserem Universum getroffen wird, zu einer alternativen Realität führt, in der eine andere Entscheidung getroffen wird. Dies bedeutet, dass jede mögliche Realität, in der eine andere Entscheidung getroffen wurde, ein eigenständiges Universum bildet.
Der amerikanische Physiker und Vater der VWI, Hugh Everett III., vertrat die Ansicht, dass es unzählige andere Realitäten geben müsse, die unabhängig von der unseren existieren. Dem theoretischen Physiker und Philosophen Sean Carroll zufolge werden wir nie erfahren, ob wir neue Zeitlinien erschaffen, aber der Quantentheoretiker David Deutsch geht davon aus, „dass ein intelligenter Quantencomputer in der Lage wäre, sich an die Erfahrung zu erinnern, vorübergehend in parallelen Realitäten zu existieren“, so John Gribbin in einem Beitrag für den MIT Press Reader.
Von Blasen und Branes
Eine weitere Theorie besagt, dass das Multiversum in unserer Zeitlinie existiert – nur zu weit entfernt, als dass wir es sehen könnten. Dies wird Popular Mechanics zufolge durch die Mathematik der Stringtheorie oder der Theorie der ewigen Inflation nahegelegt. Letztere besagt, dass sich das Multiversum ständig ausdehnt und neue Blasenuniversen schafft.
Diese Universen könnten durch eine Reihe zusätzlicher Dimensionen definiert und von Membranen, sogenannten „Branes“, umgeben sein. Es könnte sich bei ihnen aber auch um Wahrscheinlichkeitsblasen handeln, die durch die inflationäre Ausdehnung von Raum und Zeit entstehen und eine Quantenraumzeit bilden.
Was ist ein Anti-Universum?
Es gibt auch Theorien über ein „Anti-Universum“, das in der Zeit zurückgeht. Einige behaupten, dass die unterschiedlichen physikalischen Gesetze in diesen Universen dazu führen würden, dass sie kollabieren, ohne dass Sterne entstehen. Menschen könnten dort niemals überleben.
Eine erstmals 2018 durch das Trio Boyle, Finn und Turok eingereichte Studie beschreibt mitunter die Möglichkeit eines solchen Spiegeluniversums. Die Forschenden beschreiben es als Art „Antimaterie-Partner“ auf der anderen Seite des Urknalls.
Reisen im Multiversum
Die Vorstellung, mit dem Multiversum zu interagieren, ist faszinierend, birgt aber vor allem Rätsel. Viele Menschen träumen davon, einem alternativen Universum zu begegnen, in dem die Dinge anders sind als in unserem eigenen. Hiranya Peiris, Kosmologin am University College London, zufolge wäre eine Kollision zwischen zwei Blasenuniversen jedoch ein gewaltiges Ereignis und könnte sogar die Ursache für den Urknall sein.
Eine Möglichkeit, zwischen den Universen zu reisen, könnten Wurmlöcher darstellen. Bei ihnen handelt es sich um Tunnel, die aus zwei miteinander verbundenen Löchern besteht – einem Schwarzen und einem Weißen. Schon Albert Einstein und Nathan Rosen griffen in den 1930er Jahren im Rahmen ihrer Untersuchungen zur Feldgleichung das erstmals im Jahr 1916 durch den Physiker Ludwig Flamm beschriebene Konzept auf. Sie stellten die These auf, dass Weiße Löcher eine Art Gegenstück zu ihren dunklen Vettern darstellen müssten.
Obwohl Weiße Löcher bislang nicht beobachtet wurden, gibt es die Theorie, dass sie Teil eines zuvor beschriebenen Anti-Universums sein könnten. Eine andere Theorie besagt, dass die Quantenverschränkung zwei Enden eines Schwarzen Lochs zu einem Wurmloch verbinden könnte. In einem solchen Fall wäre das Multiversum nicht auf rückläufige Zeitachsen angewiesen.
Selbst wenn sich Wurmlöcher nicht als praktikabel erweisen sollten, könnte es andere Möglichkeiten geben, in alternative Universen zu reisen. So könnten wir beispielsweise eine Dimension entdecken, die die Raumzeit durchschneidet. Oder aber eine künftige Generation könnte eine überlichtschnelle Reise erfinden. Diese Art der Fortbewegung wäre notwendig, um die unermesslichen Entfernungen zwischen den Universen zu überwinden.
Quellen: „‚Relative State‘ Formulation of Quantum Mechanics“ (American Physical Society, 1957); „The bizarre logic of the many-worlds theory“ (Nature, 2019); MIT Press Reader; Popular Mechanics; „The Big Bang, CPT, and neutrino dark matter“ (Annals of Physics, 2018); Quanta Magazine; ScienceNews
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